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Kampfkunst-Philosophie für den Alltag Teil 3

Mit einer Verbeugung vor und nach jedem Kampf zeigen Judoka ihren Respekt voreinander.
Mit einer Verbeugung vor und nach jedem Kampf zeigen Judoka ihren Respekt voreinander.

In meinem dritten und letzten Beitrag zum Thema Philosophie im Kampfsport möchte ich die beiden Leitsätze des Judo vorstellen. Judo ist heute eine der beliebtesten und weltweit verbreitetsten Kampfsportarten der Welt. Der Gründer des Judo, Jigoro Kano, hatte eine klare Vision, wie Judo den Menschen nicht nur körperlich nutzen sollte.

 

Wenn im Stand keine ausreichende Wertung durch eine Wurftechnik erzielt wird, um den Kampf vorzeitig zu beenden, wird am Boden bis zur Aufgabe eines Gegners weitergekämpft.
Wenn im Stand keine ausreichende Wertung durch eine Wurftechnik erzielt wird, um den Kampf vorzeitig zu beenden, wird am Boden bis zur Aufgabe eines Gegners weitergekämpft.

In den Achzigerjahren des neunzehnten Jahrhunderts entwickelte der Pädagoge Jigoro Kano aus verschiedenen Stilen des Jiu Jitsu, das als Nahkampfsystem der Samurai in Japan zur Blüte gelangt war, eine Wettkampfsportart mit erzieherischen Charakter, die zur besseren Entwicklung von Körper und Geist sowie sozialen Werten beabsichtigt war. Seine Schule, der Kodokan (= Schule zum Studium des Weges), ist bis heute das wichtigste Zentrum des Judo weltweit.

 

Aus den Anfangszeiten des Judo: Jigoro Kano erklärt die Wurftechnik Uki Goshi (Hüftschwung) und zeigt mit einem Partner die Koshiki no Kata (die antike Form), eine Bewegungsform mit alten Samurai-Kampftechniken, aus denen das Judo entstanden ist.

 

Mit diesem körperlichen Erziehungssystem hatte Kano in Japan einen überwältigenden Erfolg in Japan und später auch im Rest der Welt. Judo ist eine der weltweit bekanntesten und beliebtesten Kampfsportarten geworden und ist seit 1964 olympische Disziplin.

 

Kyuzo Mifune, einer der höchstgraduiertesten und technisch besten Judoka aller Zeiten, zeigt Randori (Sparringskampf) und Selbstverteidigung im Judo.

 

 

Jigoro Kanos Judo-Philosophie baute auf 2 Grundprinzipien zur Persönlichkeitsentwicklung auf, die auch im Alltag angewandt werden können:

 

  1.  Bestmöglicher Einsatz von Körper und Geist

 

Das Ziel der japanischen Kampfkünste ist es, Körper und Geist mit einander zu vereinen, um so maximale Leistung zu erzielen. Der ökonomische Einsatz der vorhandenen Kräfte (minimaler Aufwand bei maximalem Effekt / Ergebnis) gilt ebenfalls als erklärtes Ziel. Kraft gegen Kraft einzusetzen ist nur dann sinnvoll, wenn diese maximale Kraft gegen möglichst schwache Punkte gerichtet ist, die auf jeden Fall zum Erfolg führen werden.

 

Judo wird wörtlich auch mit ‚der sanfte Weg’ oder ‚Siegen durch Nachgeben’ genannt.

Merke: Sie können nicht immer stärker sein als Ihr Gegenüber, aber Sie können immer nachgeben! (...und die Kraft Ihres Gegners gegen ihn verwenden.) Bestimmt fallen Ihnen hier schon spontan ein paar Beispiele aus dem Alltag ein.

 

Dies bedeutet zum Beispiel praktisch:

 

  • Kein unüberlegtes Handeln, kein blinder Aktionismus. Also immer erst denken dann handeln!
  • Nur das Nötige tun, um Ihr Ziel zu erreichen
  • Wenn Sie wirklich defensiv / offensiv tätig werden müssen, greifen Sie gezielt den größten Schwachpunkt des Gegenüber mit aller Kraft an, um die Auseinandersetzung schnell zu Ihren Gunsten zu beenden und die Kontrolle zu erlangen

 

 

  1.  Gegenseitiges Helfen und Verstehen zum beiderseitigen Fortschritt und Wohlergehen

 

  • Hier spiegelt sich nach meiner Meinung das christliche Prinzip der Nächstenliebe
  • Gemeinsames Miteinander anstatt gegenseitiges Gegeneinander, d. h. Win-Win-Situationen schaffen, wo es nur geht
  • Gegenseitigen Respekt und Verständnis voreinander haben und praktizieren – auch in Wettbewerbs- und Konkurrenzsituationen und trotzdem zielorientiert bleiben

 

 

Wenn Sie es schaffen, diese beiden Grundsätze des Judo auch außerhalb der Matte zu leben, wird das Ihnen und Ihrer Umwelt sicherlich viele Vorteile und mehr Lebensqualität bringen.

 

Und so sieht Judo-Wettkampf heute aus: Szenen vom Judo Grand Slam Paris 2012

 

Vom ‚Sanften Weg’ (=Ju-Do) ist nicht mehr viel übrig geblieben. Im internationalen Hochleistungssport Judo zählt nur noch die Leistung im Wettkampf.

 

Wer Judo in all seinen vielseitigen Facetten erleben und erlernen möchte, ist im Breitensport am besten aufgehoben: Technikschulung, viel Experimentieren und Spaß haben beim Randori, Kata erlernen (formelle Technikabläufe zur Vermittlung von Judo-Prinzipien), Selbstverteidigung und Kuatsu (Erste Hilfe) sowie das Umsetzen der Judo-Philosophie und der Vision Kanos auf der Matte und im Alltag: Judo verbindet Menschen und schafft Freundschaften. Wettkämpfe sind im Breitensport eher Gemeinschaftserlebnisse im Verein und sollten nicht so sehr vom Leistungsdruck geprägt sein.

 

Judo ist ein perfekter Einsteigerkampfsport für Kinder ab 6 Jahren, wo außer der ganzheitlichen Köperschulung auch soziale Werte vermittelt werden. Aber auch Erwachsene und sogar Senioren starten noch mit Begeisterung durch. Erkundigen Sie sich im Sportverein in Ihrer Nähe und schnuppern Sie einfach mal rein! 

 

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